Die meisten Menschen nehmen sich für ein Jahr zu viel vor und unterschätzen was sie in 10 Jahren erreichen können. “ Autor unbekannt

Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, was sich erfüllte, als mein Mann und ich uns entschieden, den Jahreswechsel in der Wüste zu verbringen.

Es sollte nicht einfach ein Karawanentreck oder Aufenthalt in einem Luxuscamp sein. Es sollte ein Tanz-Retreat sein. Ich sehnte mich danach, endlich wieder einmal 5 Tage am Stück zu tanzen, ohne als Kursleiterin Verantwortung für andere Tänzer zu übernehmen. 

Einige meiner TänzerInnen schwärmten von dem wunderbaren Sternenhimmel über der Wüste. Sie sehnten sich danach, wieder dort zu sein. Mit dieser romantischen Vorstellung flogen wir nach Marrakesch.

Die erste Nacht in einem schönen Hotel, ein kurzer Besuch im Souk und ein Gang durch die Medina. Der Ruf des des Muezzins. 

Sehr früh am nächsten Morgen begaben wir uns zum Treffpunkt in der Stadt. Es dauerte nicht lange, dann war unsere Gruppe vollzählig und wir verteilten uns auf die drei geländegängigen Fahrzeuge. Es war eine lange Reise über das Atlasgebirge bis fast an die algerische Grenze. Die Farbe der Häuser Ocker, die Erde rotbraun. Die Straßen staubig, die Menschen zu Fuß, mit Fahrrad und abenteuerlichen Gefährten unterwegs. 

Wir machten zweimal Halt, zum Frühstück und später zum Mittagessen. Am Abend erreichten wir unsere Herberge.  

Dort gab es ein warmes Abendessen aus der Tajin. Tajin dieses Kochgeschirr aus Keramik, welches uns die nächsten Tag begleiten würde. Unser Gepäck wurde ins Auto geschafft und wir machten uns auf den Weg zu unserem Camp – zu Fuß durch die Nacht.

Letzte Hinweise auf dem Hof der Herberge und dann ging es durch einen Torbogen in die Wüste. 

Der Sternenhimmel war überwältigend. Die Milchstraße zum Greifen nah. Ansonsten war es stockdunkel und die Schritte durch den Sand waren beschwerlich. Meine Füße, die es gewohnt sind, sich auf festem Grund und Boden zu bewegen, traten oft daneben. Ich hatte die falschen Schuhe an. Ständig war der Sand in meinen Stiefeln und ich war über jeden kurzen Halt froh; gab er mir doch die Möglichkeit, den Sand wieder auszuschütteln. 

Der Weg schien unendlich lang. Und es gab einen Moment, wo ich bereit war, mich einfach in den Sand fallen zu lassen, nicht mehr weiter zu gehen. Die Gruppenenergie half mir doch, weiterzugehen. 

Auf dem Weg sah ich 4 Sternschnuppen vom Himmel fallen. Dieser Walk war wie eine Metapher für mein Leben. Wie oft hatte ich schon die falschen Schuhe angezogen, wie oft habe ich die Magie gesehen, wie oft bin ich romantischen Vorstellungen aufgesessen und habe dann erfahren, dass es anstrengend ist, einem Ziel zu folgen. Wie oft hat mir mein Mann seinen Arm gereicht, damit ich mich weiterbewegen konnte. Wie oft wollte ich einfach aufgeben, doch immer hat mich etwas ermuntert weiter zu gehen. 

Im Camp angekommen wählte ich das „falsche“ Zelt aus. Wie sich später herausstellen sollte, war es das kleinste der Paarunterkünfte. Es hatte im Gegensatz zu den anderen Zelten keine Tür, so dass die Kälte nur durch einen Teppich abgehalten wurde. Doch die Berber leben auch so und wir fanden uns ein in diese fast archaische Zustände. Unsere Thermoschlafsäcke reichten nicht, zum Glück gab es einen Stapel Decken, der von uns gerne genutzt wurde. 

In der Nacht aus dem Schlafsack zu krabbeln, bedeutete zu frieren. Am Morgen vom Trommeln der Berber geweckt, taute ich nur langsam auf. In der Nacht sanken die Temperaturen auf -5 Grad und es dauerte einige Zeit bis die Sonne ihre Wärme entfaltete. Die ersten Tage verstand ich nicht, was mit meiner Sonnencreme los war. Immer kam nur Öl aus der Tube. Die Creme war eingefroren, ebenso mein Körperöl, so wie ich mich auch fühlte. 

Ich hatte mit Hitze gerechnet, aber nicht mit dieser Kälte. Meine Komfortzone liegt eher bei 30 Grad und feuchtwarm.

Wieder die falschen Schuhe! Meine Barfußschuhe ließen zwar weniger Sand hinein, dafür waren meine Füße eiskalt, als ich die Düne hinaufstieg, um den Sonnenaufgang zu betrachten. Eigentlich liebe ich es zum Sonnenaufgang wach zu sein, doch unter diesen Bedingungen war es eher eine Prüfung. Ich lernte, dass das beste Schuhwerk meine warmen Wollsocken waren. 

Das Hauptthema in den nächsten Tagen: Wie schützt man sich vor Kälte oder zu starker Sonne. Eingewickelt in mehrere Lagen Stoff, einen Turban, ein warmes Stirnband und Sonnenschutz. 

Das Tanzen in der Wüste war an jedem Tag anders. In der Weite der Dünen, verloren sich die Füße im Sand. Hinzufallen war schmerzfrei, abrollen und den ganzen Weg hinunterrollen ein kindliches Vergnügen. Hinauf zu kommen war mit Anstrengung oder der richtigen Technik verbunden. In den Fußstapfen eines anderen zu gehen war hilfreich, sich dem Tempo anzupassen ebenfalls. In Bergen und Tälern, auf Kämen und an Abgründen, immer der Sonne und dem Wind ausgesetzt, immer verhüllt, geschützt und mit Sonnenbrille. Und in der Nacht die Sterne, Kälte direkt nach Sonnenuntergang und Eis in der Ölflasche. 

Die schwarze Wüste – der Kontrast zur ocker-blauen Weite. Wie ein Mosaik haben die Steine mit eindrücklichen Mustern seit Jahrtausenden den Boden gebildet, der irgendwann zu Sand werden würde. 

Die Trommeln der Berber, der Weckruf am Morgen, die Begleitung beim Tanz und die pure Freude beim Silvester-Feuer. Afrika lebt in den Trommeln, den Farben der Turbane, dem Kaftan und dem schmackhaften einfachen Essen. Graupensuppe, Reis, Omelett und Brot am Morgen. Rohkost, Oliven Öl, Kümmel und Salz, sowie scharfen Thunfisch am Mittag. Und abends Reis, Couscous oder Kartoffeln, Gemüse und Hühnchen aus der Tajin.

Jeden Abend verteilte sich auf unmerkliche Weise Schokolade in der Gruppe. 

Gesang und Zusammensein, ein Zeichen von Gemeinschaft.

Der Weg zurück aus der Wüste war weniger anstrengend. Was es doch für einen Unterschied macht, mit 5 Tagen Wüstenerfahrung zu laufen. Am hellen Tag in den Sonnenuntergang zu wandern. Das Ziel vor Augen zu haben. Auf dem Kamelrücken den Pfaden der Karawanen zu folgen. Salemaleikum, wenn eine andere Gruppe entgegenkommt und die Kamele sich mit lauten Tönen begrüßen. 

Es hieß auch, Abschied zu nehmen von der stillen Schönheit. 

Die erste warme Dusche in der Herberge tut gut. Etwas hat sich verändert. Das Duschen ist zweitrangig geworden, die langen Haare haben alles gut überstanden. Der Gang ist ruhiger geworden und die Zeit scheint sich ausgedehnt zu haben. 

Warme Kleidung bekommt einen neuen Stellenwert bis zum nächsten Sommer. 

Zu Hause blättere ich in meinem Visionsbuch. Vor zehn Jahren schrieb ich dort einen Traum auf. Ich will in der Wüste tanzen! Jetzt wird mir klar, was geschehen ist: Ich habe einen Traum verwirklicht. Es ist ein großes Geschenk für mich. Etwas Unerfülltes ist in Erfüllung gegangen und hinterlässt kein schmerzliches Ziehen mehr. 

Träume werden wahr, wenn wir sie ernst nehmen. – tief berührt lausche ich auf meine Worte:

Die meisten Menschen nehmen sich für ein Jahr zu viel vor und unterschätzen was sie in 10 Jahren erreichen können. „

Und hier das Foto aus meinem Visionsbuch. 

Wüsten-Vision, Marocco,
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